Dienstag, 14. August 2012

Eindrücke von den workshops auf der WWOC 2012

Für alle, die nicht dabei sein konnten hier eine kurze Zusammenfassung meiner Eindrücke, die ich bei den Workshops vor der Word Wide Open Longsword and Rapier Championships (4. August – 11. August) sammeln konnte. Ich habe ungefähr 1000 neue Ideen und Erkenntnisse mitgenommen und es wird einige Zeit dauern, bis ich meine Notizen aufbereitet habe, aber wenn euch eines der unten angesprochenen Themen interessiert, lasst es mich wissen.

Um was geht’s?

Alle zwei Jahre (2012 zum dritten Mal) veranstaltet die Schwertkampfschule Arts of Mars von Colin Richards eine offene Meisterschaft für HEMA-Waffen wie Schwert, Rapier, Schwert & Buckler etc. in verschiedenen Abwandlungen wie Kampf mit Nylonwaffen oder Fechtfedern. Vor dem dreitägigen Wettkampf fanden an 3,5 Tagen parallel 44 Workshops zu je ca. 1,5 Stunden statt. Darüber hinaus noch Vorträge, Schnittests und freies Sparring.
Die Veranstaltung war inklusive Übernachtung und Verpflegung, die Workshops fanden entweder gleich in / neben der Unterkunft statt oder in der Turnhalle, die einen Kilometer weit weg war.

Teilnehmer

Die WWOC ist wahrscheinlich das wichtigste Event seiner Art in Deutschland und ungefähr auf einer Ebene wie das Dreynevent, Swordfish und Dijon. Es ging dementsprechend international zu: Von Südafrika bis Kanada waren Schwertkämpfer vertreten, ich glaube sogar auch welche aus Australien. Insgesamt dürften etwa 60 – 70 Leute da gewesen sein, vom Experten auf ihrem Gebiet, bis zu einer absoluten Anfängerin, die zuvor noch nie ein Schwert in der Hand hatte.

Materialien

Dolch: Alles mögliche vom Nylondolch über Holzdolche bis zu gepolsterten Trainingswaffen.
Rapier: Stahl
Dussak: Leder mit Kunststoffkern
Schwert und Buckler: Stahl
Langes Schwert: Überwiegend Nylon (meistens die Actionflex-Schwerter), aber daneben auch Stahlwaffen und Fechtfedern

Die Workshops

Ich war bei insgesamt 14 Workshops / Vorträgen, meist bei unterschiedlichen Trainern. Im Folgenden die interessantesten:


Devon Boorman
Fiore Dagger

Hier ging es vor allem um Grundlagen im (Nah)kampf. Devon Boorman, von dem noch zwei mal die Rede sein wird hat vorgeführt, wie man die drei Zentren (das eigene, das des Gegners und das des Kampfes) und Prinzipien der Körpermechanik (Arbeiten mit der Schwerkraft oder im „beach ball of power“) nutzen kann, um einen Vorteil zu bekommen. Darauf folgte eine Einführung in die drei Schlüssel von Fiore dei Liberi (http://en.wikipedia.org/wiki/Fiore_dei_Liberi), womit die drei Armstellungen des Gegners bezeichnet werden, die man nutzen kann, um einen Hebel anzuwenden. Das Ganze wurde dann in zwei Dolchabwehrdrills geübt.


Dave Rawlings
Longsword

Der zweite Workshop war ein Drill-Workshop. Zuerst eine Kombination, in der die vier schrägen Häue mit der langen Schneide aneinandergehängt wurden, dann das gleiche mit der kurzen Schneide. Vor allem die kurze Schneide hat einiges an ungenutztem Potential, was sich in den nachfolgenden zwei Partnerübungen gezeigt hat.
Muskelkatergarantie gewürzt mit Daves unvergleichlich trockenem Humor.


James Roberts
Joachim Meyer Longsword

In diesem Schritt wurde in 5 bzw. 6 aufeinander aufbauenden Schritten geübt den Gegner anzugreifen und immer mehr zu verwirren: Dabei ging es vor allem darum in Bewegung zu bleiben und ein Auge dafür zu bekommen, was wirksam ist und was nicht.
1. Einfache Angriffe
2. Zurückgezogene und danach umgeleitete Angriffe
3. Unter der Parade durchgezogene Angriffe
4. Anbinden und Wechsel der Schneide mit einem Schritt
5. Anbinden und Wechsel der Höhe mit einem Schritt
6. Winden am Schwert
Bei den ersten 5 bleibt die Angriffslinie zum Gegner möglichst geschlossen, man versucht sich also selbst zu schützen, beim Winden begibt man sich in gefährliche Nähe zum gegnerischen Schwert.
In einem zweiten Workshop wurde das Ganze von der Seite des Verteidigers aus betrachtet. Hier ging's vor allem darum nicht statisch zu bleiben und der eigenen Technik so weit zu vertrauen, dass schon minimale Winkel- oder Reichweitenvorteile ausreichen um einen Treffer zu landen. Lustigerweise sah eine seiner Partnerübungen ganz ähnlich aus wie der Anfang von Drill 1.


Devon Boorman
How to make a successful club

Devon Boorman hat in seinem Vortrag kurz umrissen, wie sich seine Schule seit der Gründung vor 8 Jahren entwickelt hat und was für ihn die wirkungsvollsten Maßnahmen auf dem Weg zu 24 Trainern und 200 ständigen bzw. ein paar tausend gelegentlichen Trainierenden pro Jahr waren. Er hat eine ganze Menge Tipps dafür gegeben, wie man Leute für Schwertkampf begeistern kann und das Schöne ist, dass er die entsprechenden Daten hat, um das nicht nur aus dem Bauch heraus zu sagen. Außerdem fand ich den Trainingsplan seiner Schule ziemlich beeindruckend. Der umfasst nicht nur so ziemlich alles, was man sich an HEMA-Waffen wünschen kann, sondern auch Reitstunden. Außerdem ist er so detailliert ausgearbeitet, dass man heute schon nachschauen kann, welche Stunden in einem Jahr stattfinden werden und mit welchem Inhalt.
Ach so: Außerdem hat die Academia Duello ein eigenes Schwertkampf-Museum. Nach dem Vortrag habe ich spontan überlegt nach Vancouver auszuwandern … ^__^


Colin Richards
Guards as structures

Colin hat damit angefangen, dass man das Schwert nicht grundsätzlich in der Hammerhaltung, d.h. im 90°-Winkel greifen sollte, sondern vor allem mit den vermeintlich schwachen Ring- und kleinem Finger. Für Stabilität sollte immer die Geometrie der Arme/Hände sorgen, für Stärke und Geschwindigkeit die starken Muskeln des Körpers.
Zum Test wurde mit voller Härte auf die Hut Kron geschlagen. Wenn sich der Verteidiger dabei anstrengen muss, macht er was falsch.
Außerdem wurde Colin nicht müde zu betonen, dass eine Bewegung, die nicht in einer Hut endet oder beginnt in der Regel Schwachsinn ist, ebenso eine Hut in der man verharrt.
Dazu gab es noch zwei Übungen, die in Richtung Fühlen am Schwert gingen und mit denen man sich an den richtigen Druck am Schwert annähern konnte. In einem späteren Workshop bei Stefan Roth gings in die Richtung weiter.


Axel Petterson
Longsword (Sparring) Coaching

Ich war in der ersten Stunde von Axel in der es auch um Sparring ging nicht dabei und hab mir damit einige blaue Flecken erspart. In diesem Workshop sind wir zwar auch im Sparring gegeneinander angetreten, aber der Fokus lag auf das Coaching. Zwei haben gegeneinander gefochten, der dritte hat einem der beiden während dem Kampf Tipps gegeben. Das wurde danach in einem Kampf gegen ein anderes Team noch ein wenig mehr an richtige Wettkampfbedingungen angenähert. Axel hat ein paar Hinweise gegeben worauf man dabei achten sollte, aber allein mal zu versuchen jemandem der gerade wörtlich beide Hände voll zu tun hat mit guten Ratschlägen weiterzuhelfen war eine interessante Erfahrung.


Bart Balczak
Winden

Bart ist auf die Prinzipien eingegangen, die einem in Kampf die bessere Position geben (Stärke auf Schwäche, Schneide auf Fläche, Spitze zum Gegner, eigene Klinge über der Klinge des Gegners) und hat am Ende als Schmankerl noch zwei Konter gegen das Winden gezeigt, die zwar im Kampf sehr unwahrscheinlich aber dafür um so lustiger sind.


Szabolcs Waldman
Das Konzept der Tempi in der italienischen Schule

„Sir, yes, Sir!“-Szabo hat eine Einführung in die italienische Schwertschule genauer gesagt in das Konzept der Tempi gegeben. Ein Tempo entspricht einer Aktion im Kampf, woraus man eine schöne Partnerübung machen kann: Einer der Partner hat 2 Tempi zur Verfügung, der andere 3. Man sollte annehmen, dass der mit 3 Tempi meistens der Gewinner ist, schließlich darf er nochmal zuschlagen, wenn der andere schon stillhalten muss, in der Regel endet diese Übung aber anfangs beim 1. oder 2. Schlag mit einem Doppeltreffer. Und Doppeltreffer bedeutet Liegestütze für beide ^___^.
Und weil ich Szabo so sympathisch fand habe ich gleich einen zweiten Workshop bei ihm besucht, in dem er die Fechtmethode von Gérard Thibault (http://en.wikipedia.org/wiki/G%C3%A9rard_Thibault_d%27Anvers) vorgestellt hat. Einiges daran (und an Thibault selbst, der 1627 auf dem Scheiterhaufen endete) ist erst einmal ziemlich gewöhnungsbedürftig, aber es macht (mathematisch begründet) Sinn und Thibault hatte die coolsten Konter der gesamten Veranstaltung zu bieten.

Keine Kommentare:

Kalender

MSK Trainings

Wir greifen auf Drittanbieter zurück, um Anzeigen zu schalten, wenn Sie unsere Website besuchen. Diese Unternehmen nutzen möglicherweise Informationen (dies schließt nicht Ihren Namen, Ihre Adresse, E-Mail-Adresse oder Telefonnummer ein) zu Ihren Besuchen dieser und anderer Websites, damit Anzeigen zu Produkten und Diensten geschaltet werden können, die Sie interessieren. Falls Sie mehr über diese Methoden erfahren möchten oder wissen möchten, welche Möglichkeiten Sie haben, damit diese Informationen nicht von den Unternehmen verwendet werden können, klicken Sie hier.