Für alle, die nicht dabei sein konnten
hier eine kurze Zusammenfassung meiner Eindrücke, die ich bei den
Workshops vor der Word Wide Open Longsword and Rapier Championships
(4. August – 11. August) sammeln konnte. Ich habe ungefähr 1000
neue Ideen und Erkenntnisse mitgenommen und es wird einige Zeit
dauern, bis ich meine Notizen aufbereitet habe, aber wenn euch eines
der unten angesprochenen Themen interessiert, lasst es mich wissen.
Um was geht’s?
Alle zwei Jahre (2012 zum dritten Mal)
veranstaltet die Schwertkampfschule Arts of Mars von Colin Richards
eine offene Meisterschaft für HEMA-Waffen wie Schwert, Rapier,
Schwert & Buckler etc. in verschiedenen Abwandlungen wie Kampf
mit Nylonwaffen oder Fechtfedern. Vor dem dreitägigen Wettkampf
fanden an 3,5 Tagen parallel 44 Workshops zu je ca. 1,5 Stunden
statt. Darüber hinaus noch Vorträge, Schnittests und freies
Sparring.
Die Veranstaltung war inklusive
Übernachtung und Verpflegung, die Workshops fanden entweder gleich
in / neben der Unterkunft statt oder in der Turnhalle, die einen
Kilometer weit weg war.
Teilnehmer
Die WWOC ist wahrscheinlich das
wichtigste Event seiner Art in Deutschland und ungefähr auf einer
Ebene wie das Dreynevent, Swordfish und Dijon. Es ging
dementsprechend international zu: Von Südafrika bis Kanada waren
Schwertkämpfer vertreten, ich glaube sogar auch welche aus
Australien. Insgesamt dürften etwa 60 – 70 Leute da gewesen sein,
vom Experten auf ihrem Gebiet, bis zu einer absoluten Anfängerin,
die zuvor noch nie ein Schwert in der Hand hatte.
Materialien
Dolch: Alles mögliche vom Nylondolch
über Holzdolche bis zu gepolsterten Trainingswaffen.
Rapier: Stahl
Dussak: Leder mit Kunststoffkern
Schwert und Buckler: Stahl
Langes Schwert: Überwiegend Nylon
(meistens die Actionflex-Schwerter), aber daneben auch Stahlwaffen
und Fechtfedern
Die Workshops
Ich war bei insgesamt 14 Workshops /
Vorträgen, meist bei unterschiedlichen Trainern. Im Folgenden die
interessantesten:
Devon Boorman
Fiore Dagger
Hier ging es vor allem um Grundlagen im
(Nah)kampf. Devon Boorman, von dem noch zwei mal die Rede sein wird
hat vorgeführt, wie man die drei Zentren (das eigene, das des
Gegners und das des Kampfes) und Prinzipien der Körpermechanik
(Arbeiten mit der Schwerkraft oder im „beach ball of power“)
nutzen kann, um einen Vorteil zu bekommen. Darauf folgte eine
Einführung in die drei Schlüssel von Fiore dei Liberi
(http://en.wikipedia.org/wiki/ Fiore_dei_Liberi),
womit die drei Armstellungen des Gegners bezeichnet werden, die man
nutzen kann, um einen Hebel anzuwenden. Das Ganze wurde dann in zwei
Dolchabwehrdrills geübt.
Dave Rawlings
Longsword
Der zweite Workshop war ein
Drill-Workshop. Zuerst eine Kombination, in der die vier schrägen
Häue mit der langen Schneide aneinandergehängt wurden, dann das
gleiche mit der kurzen Schneide. Vor allem die kurze Schneide hat
einiges an ungenutztem Potential, was sich in den nachfolgenden zwei
Partnerübungen gezeigt hat.
Muskelkatergarantie gewürzt mit Daves
unvergleichlich trockenem Humor.
James Roberts
Joachim Meyer Longsword
In diesem Schritt wurde in 5 bzw. 6
aufeinander aufbauenden Schritten geübt den Gegner anzugreifen und
immer mehr zu verwirren: Dabei ging es vor allem darum in Bewegung zu
bleiben und ein Auge dafür zu bekommen, was wirksam ist und was
nicht.
1. Einfache Angriffe
2. Zurückgezogene und danach
umgeleitete Angriffe
3. Unter der Parade durchgezogene
Angriffe
4. Anbinden und Wechsel der Schneide
mit einem Schritt
5. Anbinden und Wechsel der Höhe mit
einem Schritt
6. Winden am Schwert
Bei den ersten 5 bleibt die
Angriffslinie zum Gegner möglichst geschlossen, man versucht sich
also selbst zu schützen, beim Winden begibt man sich in gefährliche
Nähe zum gegnerischen Schwert.
In einem zweiten Workshop wurde das
Ganze von der Seite des Verteidigers aus betrachtet. Hier ging's vor
allem darum nicht statisch zu bleiben und der eigenen Technik so weit
zu vertrauen, dass schon minimale Winkel- oder Reichweitenvorteile
ausreichen um einen Treffer zu landen. Lustigerweise sah eine seiner
Partnerübungen ganz ähnlich aus wie der Anfang von Drill 1.
Devon Boorman
How to make a successful club
Devon Boorman hat in seinem Vortrag
kurz umrissen, wie sich seine Schule seit der Gründung vor 8 Jahren
entwickelt hat und was für ihn die wirkungsvollsten Maßnahmen auf
dem Weg zu 24 Trainern und 200 ständigen bzw. ein paar tausend
gelegentlichen Trainierenden pro Jahr waren. Er hat eine ganze Menge
Tipps dafür gegeben, wie man Leute für Schwertkampf begeistern kann
und das Schöne ist, dass er die entsprechenden Daten hat, um das
nicht nur aus dem Bauch heraus zu sagen. Außerdem fand ich den
Trainingsplan seiner Schule ziemlich beeindruckend. Der umfasst nicht
nur so ziemlich alles, was man sich an HEMA-Waffen wünschen kann,
sondern auch Reitstunden. Außerdem ist er so detailliert
ausgearbeitet, dass man heute schon nachschauen kann, welche Stunden
in einem Jahr stattfinden werden und mit welchem Inhalt.
Ach so: Außerdem hat die Academia
Duello ein eigenes Schwertkampf-Museum. Nach dem Vortrag habe ich
spontan überlegt nach Vancouver auszuwandern … ^__^
Colin Richards
Guards as structures
Colin hat damit angefangen, dass man
das Schwert nicht grundsätzlich in der Hammerhaltung, d.h. im
90°-Winkel greifen sollte, sondern vor allem mit den vermeintlich
schwachen Ring- und kleinem Finger. Für Stabilität sollte immer die
Geometrie der Arme/Hände sorgen, für Stärke und Geschwindigkeit
die starken Muskeln des Körpers.
Zum Test wurde mit voller Härte auf
die Hut Kron geschlagen. Wenn sich der Verteidiger dabei anstrengen
muss, macht er was falsch.
Außerdem wurde Colin nicht müde zu
betonen, dass eine Bewegung, die nicht in einer Hut endet oder
beginnt in der Regel Schwachsinn ist, ebenso eine Hut in der man
verharrt.
Dazu gab es noch zwei Übungen, die in
Richtung Fühlen am Schwert gingen und mit denen man sich an den
richtigen Druck am Schwert annähern konnte. In einem späteren
Workshop bei Stefan Roth gings in die Richtung weiter.
Axel Petterson
Longsword (Sparring) Coaching
Ich war in der ersten Stunde von Axel
in der es auch um Sparring ging nicht dabei und hab mir damit einige
blaue Flecken erspart. In diesem Workshop sind wir zwar auch im
Sparring gegeneinander angetreten, aber der Fokus lag auf das
Coaching. Zwei haben gegeneinander gefochten, der dritte hat einem
der beiden während dem Kampf Tipps gegeben. Das wurde danach in
einem Kampf gegen ein anderes Team noch ein wenig mehr an richtige
Wettkampfbedingungen angenähert. Axel hat ein paar Hinweise gegeben
worauf man dabei achten sollte, aber allein mal zu versuchen jemandem
der gerade wörtlich beide Hände voll zu tun hat mit guten
Ratschlägen weiterzuhelfen war eine interessante Erfahrung.
Bart Balczak
Winden
Bart ist auf die Prinzipien
eingegangen, die einem in Kampf die bessere Position geben (Stärke
auf Schwäche, Schneide auf Fläche, Spitze zum Gegner, eigene Klinge
über der Klinge des Gegners) und hat am Ende als Schmankerl noch
zwei Konter gegen das Winden gezeigt, die zwar im Kampf sehr
unwahrscheinlich aber dafür um so lustiger sind.
Szabolcs Waldman
Das Konzept der Tempi in der
italienischen Schule
„Sir, yes, Sir!“-Szabo hat eine
Einführung in die italienische Schwertschule genauer gesagt in das
Konzept der Tempi gegeben. Ein Tempo entspricht einer Aktion im
Kampf, woraus man eine schöne Partnerübung machen kann: Einer der
Partner hat 2 Tempi zur Verfügung, der andere 3. Man sollte
annehmen, dass der mit 3 Tempi meistens der Gewinner ist, schließlich
darf er nochmal zuschlagen, wenn der andere schon stillhalten muss,
in der Regel endet diese Übung aber anfangs beim 1. oder 2. Schlag
mit einem Doppeltreffer. Und Doppeltreffer bedeutet Liegestütze für
beide ^___^.
Und weil ich Szabo so sympathisch fand
habe ich gleich einen zweiten Workshop bei ihm besucht, in dem er die
Fechtmethode von Gérard Thibault
(http://en.wikipedia.org/wiki/ G%C3%A9rard_Thibault_d% 27Anvers)
vorgestellt hat. Einiges daran (und an Thibault selbst, der 1627 auf
dem Scheiterhaufen endete) ist erst einmal ziemlich
gewöhnungsbedürftig, aber es macht (mathematisch begründet) Sinn
und Thibault hatte die coolsten Konter der gesamten Veranstaltung zu
bieten.
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